Tail Video
Die mit Spannung erwartete Keynote von Bill Gates auf der CES brachte zwar keine  absoluten Erkenntnisse, an den meisten der Entwicklungen bastelt Microsoft schon  eine ganze Zeit. In dem deutlichen Schwerpunkt, den Gates auf Home Entertainment  Themen, ausgehend vom Dienst Windows Live, der Windows Media Center Edition und  der XBox 360 legt, lässt sich aber durchaus ein Trend erkennen. Selbst wenn es  leicht erklärbar scheint, dass die Agenda des größten Softwareherstellers bei  der wichtigsten CE Messe den Klang eines dezenten Säbelrasseln trägt. Was sich  bereits in Ray Ozzies Disruption Memo andeutete, erhält hier deutlichere  Konturen. Die ganze Keynote wurde von Herrn Goeldi, der Live vor Ort ist,  bereits schön zusammengefasst.
An dieser Stelle sei nur noch einmal  der Part hervorgehoben, der sich mit den neuen Video und TV Features  beschäftigt: Die IP Edition MSTV wird ja bereits verkauft. Nun sind auch aus  erste Ergebnisse der Partnerschaft mit Alcatel zu sehen. Vor etwas mehr als  einem Jahr habe ich Alcatels Amigo-TV Projekt erstmals im ReNA Labor in  Antwerpen sehen können – jetzt kündigt Microsoft eine Einbindung neuer,  umfassender Instant Messaging Funktionen basierend auf dem Windows Live Dienst  an. Die lustigen Emoticons, mit denen Alcatel damals gearbeitet hatte sind bei  PC basierten Instant Messengern sowieso schon lange Standard. Und ein qualitativ  hochwertiger Voicechat ist seit Skype auch kein großes Kunsstück mehr.

Das wichtigste Indiz für die neue Marschroute kam für mich versteckt. Gates spricht wie ganz selbstverständlich in diesem Teil der Präsentation von “Tail Video”. Keine langen Umschweife oder Erklärungen. In Redmond scheint man mit der Entwicklung hin zum Narrowcasting schon wie ganz normal umzugehen.
It’s important to note that it completely blows open any of the limitations that channels used to create. We talk about tail video, things like a physics lecture or a high school sports game that never would have made it into that broadcast world now can be sourced in and if it’s something you’re interested in easy for you to navigate and find. And that’s one seamless experience, not your normal TV here and your Internet TV over there, taking that remote control and having that just work that way.
Auch die “seamless experience”, die ja häufig noch als Barriere einer  nutzerorientierten Konvergenz gehandelt wird (zb. über die alte “lean back”,  “lean forward”-Leier) scheint für Microsoft, zumindest von der Vision her, als  abgemacht zu gelten. Natürlich ist ein konkreter Nutzwert dieser Aussage  zunächst einmal gering, gerade im schrubellig-amerikanischen  Begeisterungsblahblah (“…taking that remote control and having that just  work that way.”). Das das im Endergebnis erstmal alles nicht so schön  laufen wird, wie vorgestellt ist wohl allen klar. Vor allem, wenn es an die  Interoperabilität der verschiedenen Gadgets geht, liegen die Schwierigkeiten  natürlich wieder im Detail. Aber darum geht es hier auch nicht. Es geht um die  Leitlinien und die Positionierung des größten Softwareherstellers im neuen  Marktgeschehen. Die übliche Geekparade, wie sie andere hier erkennen mögen, sehe ich zwar auch. Und natürlich geht es im  Großen darum, die neue Medientechnologien zu vereinfachen, lösungs- und  nutzerorientierter zu gestalten. Dabei wird jedoch häufig verkannt, dass so eine  Entwicklung nicht von heute auf morgen stattfinden kann, sie ist die große  Aufgabe der High-Tech Industrien für die nächsten 10/20 Jahre.
In erster  Linie verkauft ein Softwarehersteller seine Podukte nunmal über Features, die  einem unbescholtenen Massenmarkt als erstes bekannt gemacht werden wollen. Und  die Marke darf dabei natürlich auch nicht zu kurz kommen. Die Entwicklung hin  zur alles integrierenden, vereinfachenden Nutzeroberfläche muß dann schrittweise  erfolgen, gleichzeitig hat sowas noch nie geklappt. Außerdem, das Gute ist: die  Funktionen werden Standard. Jeder wird doch selbst entscheiden können, ob er  sich zusätzliche Information zum Film von seiner HD-DVD (oder Blu-Ray Disc)  anzeigen lässt, oder sich das Programm durch einen intelligenten Assistenten –  ob als Avatar oder Dialogbox – zusammenstellen lässt. “Maybe robots want  digital lifestyles, but human beings don’t. Human beings want lives. This  digital lifestyle, as Gates envisions it, is just another big pile of software  features that we have to sort through and make sense of.”, meint Nicholas  Carr.
Gibt es eine Alternative dazu? Die Funktionen einfach nicht  anzubieten, obwohl sie exisitieren? Dann haben die CE Hersteller die  bevorstehende Schlacht bereits gewonnen. Wenn wir nur leben und keinen  Lebensstil wollen, können wir auch gleich in den Wald ziehen und uns mit  Holzhacken vergnügen. Wenngleich ich diesem Lebenskonzept den Stil keineswegs  aberkennen möchte. Vielleicht steuern wir auch wirklich auf einen Digital Divide zu,  der auch die entwickelten Mediengesellschaften zunehmend spalten wird. Das  schöne daran ist aber nach wie vor, dass man sich entscheiden kann. Man kann  seine Verkaufsentscheidung immer noch weitestgehend selbstbestimmt fällen, oder  abschalten wenn einem ein Programm nicht passt. Mich freut daran aber vor allem,  dass ich es nicht mehr unbedingt selbst tun muss. Und das ist für mich die  bedeutendere Vereinfachung.
Die aktuelle Situation nach den Ankündigungen der  CES stellt dieser Artikel der NYT auch gut dar.
“At one level it’s clear that the dam has broken,” said Paul Otellini, chief executive of Intel. “There’s an inevitable move to use the Internet as a distribution medium, and that’s not going to stop.”

[...] Business web of MSTV TV over IP solution (see also this article regarding MSTV’s strategy) In this illustration, the grade of stickyness to IPTV as a core business or core strenth is been descriped as shaper>adaptors (inner/outer) and independent adaptors (affiliates). [...]