Tail Video

Broadcast,Generation: X,Interactive,Knowledge — Nikolaus Reinelt @ 10:08

Die mit Spannung erwartete Keynote von Bill Gates auf der CES brachte zwar keine absoluten Erkenntnisse, an den meisten der Entwicklungen bastelt Microsoft schon eine ganze Zeit. In dem deutlichen Schwerpunkt, den Gates auf Home Entertainment Themen, ausgehend vom Dienst Windows Live, der Windows Media Center Edition und der XBox 360 legt, lässt sich aber durchaus ein Trend erkennen. Selbst wenn es leicht erklärbar scheint, dass die Agenda des größten Softwareherstellers bei der wichtigsten CE Messe den Klang eines dezenten Säbelrasseln trägt. Was sich bereits in Ray Ozzies Disruption Memo andeutete, erhält hier deutlichere Konturen. Die ganze Keynote wurde von Herrn Goeldi, der Live vor Ort ist, bereits schön zusammengefasst.
An dieser Stelle sei nur noch einmal der Part hervorgehoben, der sich mit den neuen Video und TV Features beschäftigt: Die IP Edition MSTV wird ja bereits verkauft. Nun sind auch aus erste Ergebnisse der Partnerschaft mit Alcatel zu sehen. Vor etwas mehr als einem Jahr habe ich Alcatels Amigo-TV Projekt erstmals im ReNA Labor in Antwerpen sehen können – jetzt kündigt Microsoft eine Einbindung neuer, umfassender Instant Messaging Funktionen basierend auf dem Windows Live Dienst an. Die lustigen Emoticons, mit denen Alcatel damals gearbeitet hatte sind bei PC basierten Instant Messengern sowieso schon lange Standard. Und ein qualitativ hochwertiger Voicechat ist seit Skype auch kein großes Kunsstück mehr.

MSTV_Ecosystem

Das MSTV ‘Ecosystem’, MS Partnerschaften 12/2005

Das wichtigste Indiz für die neue Marschroute kam für mich versteckt. Gates spricht wie ganz selbstverständlich in diesem Teil der Präsentation von “Tail Video”. Keine langen Umschweife oder Erklärungen. In Redmond scheint man mit der Entwicklung hin zum Narrowcasting schon wie ganz normal umzugehen.

It’s important to note that it completely blows open any of the limitations that channels used to create. We talk about tail video, things like a physics lecture or a high school sports game that never would have made it into that broadcast world now can be sourced in and if it’s something you’re interested in easy for you to navigate and find. And that’s one seamless experience, not your normal TV here and your Internet TV over there, taking that remote control and having that just work that way.

Auch die “seamless experience”, die ja häufig noch als Barriere einer nutzerorientierten Konvergenz gehandelt wird (zb. über die alte “lean back”, “lean forward”-Leier) scheint für Microsoft, zumindest von der Vision her, als abgemacht zu gelten. Natürlich ist ein konkreter Nutzwert dieser Aussage zunächst einmal gering, gerade im schrubellig-amerikanischen Begeisterungsblahblah (“…taking that remote control and having that just work that way.”). Das das im Endergebnis erstmal alles nicht so schön laufen wird, wie vorgestellt ist wohl allen klar. Vor allem, wenn es an die Interoperabilität der verschiedenen Gadgets geht, liegen die Schwierigkeiten natürlich wieder im Detail. Aber darum geht es hier auch nicht. Es geht um die Leitlinien und die Positionierung des größten Softwareherstellers im neuen Marktgeschehen. Die übliche Geekparade, wie sie andere hier erkennen mögen, sehe ich zwar auch. Und natürlich geht es im Großen darum, die neue Medientechnologien zu vereinfachen, lösungs- und nutzerorientierter zu gestalten. Dabei wird jedoch häufig verkannt, dass so eine Entwicklung nicht von heute auf morgen stattfinden kann, sie ist die große Aufgabe der High-Tech Industrien für die nächsten 10/20 Jahre.
In erster Linie verkauft ein Softwarehersteller seine Podukte nunmal über Features, die einem unbescholtenen Massenmarkt als erstes bekannt gemacht werden wollen. Und die Marke darf dabei natürlich auch nicht zu kurz kommen. Die Entwicklung hin zur alles integrierenden, vereinfachenden Nutzeroberfläche muß dann schrittweise erfolgen, gleichzeitig hat sowas noch nie geklappt. Außerdem, das Gute ist: die Funktionen werden Standard. Jeder wird doch selbst entscheiden können, ob er sich zusätzliche Information zum Film von seiner HD-DVD (oder Blu-Ray Disc) anzeigen lässt, oder sich das Programm durch einen intelligenten Assistenten – ob als Avatar oder Dialogbox – zusammenstellen lässt. “Maybe robots want digital lifestyles, but human beings don’t. Human beings want lives. This digital lifestyle, as Gates envisions it, is just another big pile of software features that we have to sort through and make sense of.”, meint Nicholas Carr.
Gibt es eine Alternative dazu? Die Funktionen einfach nicht anzubieten, obwohl sie exisitieren? Dann haben die CE Hersteller die bevorstehende Schlacht bereits gewonnen. Wenn wir nur leben und keinen Lebensstil wollen, können wir auch gleich in den Wald ziehen und uns mit Holzhacken vergnügen. Wenngleich ich diesem Lebenskonzept den Stil keineswegs aberkennen möchte. Vielleicht steuern wir auch wirklich auf einen Digital Divide zu, der auch die entwickelten Mediengesellschaften zunehmend spalten wird. Das schöne daran ist aber nach wie vor, dass man sich entscheiden kann. Man kann seine Verkaufsentscheidung immer noch weitestgehend selbstbestimmt fällen, oder abschalten wenn einem ein Programm nicht passt. Mich freut daran aber vor allem, dass ich es nicht mehr unbedingt selbst tun muss. Und das ist für mich die bedeutendere Vereinfachung.
Die aktuelle Situation nach den Ankündigungen der CES stellt dieser Artikel der NYT auch gut dar.

“At one level it’s clear that the dam has broken,” said Paul Otellini, chief executive of Intel. “There’s an inevitable move to use the Internet as a distribution medium, and that’s not going to stop.”

Mehr zum Thema “Point of no Return” außerdem hier.

Podcasting at a glance

Broadcast,Generation: X,Knowledge,Studies — Nikolaus Reinelt @ 18:09

Einen guten Überblick in Sachen Podcasting liefert Gerrit van Aakens im Theorieteil seiner Diplomarbeit “Ich bin der Sender// Über Podcasting und eine mögliche Medienrevolution” (August 2005, Mediendesign, FH-Mainz).
Als 5-teiliger Podcast, professionell gesprochen und produziert, leider in einer etwas zu geringen Samplerate, aber trotzdem gut hörbar.
Teil 1 (14:47 min, 5,1 MB)
Teil 2 (15:49 min, 5,5 MB)
Teil 3 (20:12 min, 7 MB)
Teil 4 (16:38 min, 5,8 MB)
Teil 5 (16:41 min, 5,8 MB)
oder die komplette Arbeit als .pdf hier.

Gefunden beim brainpimper.

das E und S der PEST

Generation: X,Knowledge,Studies — Nikolaus Reinelt @ 17:03

Vom Zukunftsinstitut von Matthias Horx der diesjährige “Trend-Report 2006. Soziokulturelle Schlüsseltrends für die Märkte von morgen”. Futter für die nächste PEST-Analyse (Umfeldanalyse nach Politischen, Sozialen, Ökonomischen und Technologischen Faktoren). Oder “…Deutungsplastilin, das sich weiterkneten lässt und mit eigenen Denkfiguren vermengen lässt.”, wie es Peter Felixberger in seinem Beitrag bei changeX nennt.
Klingt irgendwie alles schon ganz gut. Ob ein Jahr für die Entwicklung dieser Phänomene jedoch ausreicht? Immerhin wollen nächstes Jahr die 10 Trends 2007 auch wieder publiziert werden…;-)

Trend 1: Die neue Ehrlichkeit. Nach dem Zusammenbruch der Illusionen um Fortschritt und Wachstum werden wir auf uns selbst zurückgeworfen. Dort entdecken wir persönliche Schattenseiten, Unzulänglichkeiten und Grenzen. Ernüchterung ist Kult. Das Management von Glück und Unglück wird wieder zur persönlichen Angelegenheit und den gesellschaftlichen Machtagenturen entrissen.
Trend 2: Desaster World. Eine medial inszenierte Katastrophenkultur zwingt uns, enger zusammenzurücken. Die Triebfeder: Um uns herum geht die Welt unter, aber wir halten zusammen. Was sich wiederum globale Heilsevents (Papstbegräbnis, Fußball-WM) zunutze machen, indem sie irgendwie glaubhaft machen, dass sie die kollektiven Angstzustände zu lindern vermögen.
Trend 3: Micro Economy. Die Erwerbsarbeit wird radikal individualisiert. In den neuen Nischen liegt der Strand. Arbeit heißt, konkrete Probleme lösen. Eine neue kreative Klasse ist sofort und immer dann zur Stelle, wenn irgendwo Arbeit und Ideen angefordert werden.
Trend 4: Downaging. Das subjektiv empfundene Eigenalter wird immer geringer. 50-Jährige empfinden sich als 40. Und 40-Jährige haben heute fast eine doppelte Lebenserwartung als 1970. Die Idee ist, künftig jung so spät wie möglich zu sterben. Der Aktivitätenindex wird bis ins späte Alter hochgehalten.
Trend 5: Tiger Ladies. Frauen zwischen 40 und 50 brechen auf zu neuen Ufern. Sie entledigen sich alter Rollenbilder und immer häufiger auch ihrer Männer. Sie bedienen sich im Gegenzug aus dem neuen Möglichkeitenkabinett: Jobs, Hobbys, Konsum, jüngere Männer.
Trend 6: Total Gaming. Hochkomplexe Computerspiele erzeugen Paralleluniversen, in denen die Menschen zunehmend eintauchen und verschwinden. In Zweitrealitäten wird man von den eigentlichen Anforderungen abgelenkt. Der Gaming-Markt ist einer der am schnellsten wachsenden Märkte in der Welt.
Trend 7: Opalution. Statt Generationenkrieg kommt es zur großen Verbrüderung zwischen den Generationen. Und zwar aus einem ganz pragmatischen Grund: gegenseitige Hilfe. Die Alten helfen den Jungen bei der Entlastung im Privaten (Kindererziehung), die Jungen bieten den Alten nachhaltige Handlungsfelder.
Trend 8: Der Selfness-Mann. Männer sind Opfer einer kulturellen Umdeutung: vom Ernährer zum Deppen. Der neue Mann entgeht dieser Konfusion durch Fusion – und zwar der Männlichkeit mit Weiblichkeit. Ziel ist das Erwachsenwerden jenseits geschlechtsspezifischer Macht- und Überlegenheitsspiele.
Trend 9: Smart Energy. Das Zeitalter des Öls neigt sich dem Ende zu. Der Markt reagiert mit einem Mix aus neuen und alten Energieträgern. Aus Gas und Biomasse wird Diesel. Wir tanken in Zukunft verstärkt Synfuels. So lange, bis Geowärme, Brennstoffzelle und regenerative Energiequellen das Regiment übernehmen.
Trend 10: Der andere Tod. Er findet nicht mehr in abgedunkelter Abgeschiedenheit statt, sondern wird ans helle Aufmerksamkeitslicht gezerrt. Todes-Soaps, Discount-Bestattung bis hin zum multimedialen Sterben sorgen für mehr Unterhaltungswert. Das Sterben wird in die Selbstverständlichkeit des Lebenslaufes zurückgeholt. Aus Angst vor der Katastrophe sucht man Erleichterung durch Eventinszenierung.

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